Startseite Leinen-Installationen Aktuelles Ausstellungen Online Bilder Texte Workshops Zur Person Kontakt/Impressum

leinenkunst.de


Yoga und Kreativität


Wie kann Yoga einen kreativen Prozess unterstützen?


(Vortrag  des mitausstellenden Künstlers und Yogalehrers Ulrich Fritsch aus Lich, Darmstadt, Schirner-Verlag, 24.8.2011)


Sehr geehrte Damen und Herren,


herzlichen Dank für die Einladung, auf dieser Vernissage die Einleitungsrede halten zu dürfen. Ich freue mich, Ihnen meine Erfahrungen und Reflexionen zum Thema Yoga und  Kreativität  mitteilen zu können. Danke auch an meine Kollegin Martha Fritsch, mit der mich mehr verbindet als nur der Name, obwohl wir nicht miteinander verwandt sind. Beide üben und unterrichten wir seit vielen Jahren Yoga und bilden Yogalehrende aus. Beide malen wir seit vielen Jahren und erleben, wie sehr unsere Yogapraxis uns in unseren kreativen Tätigkeiten unterstützt.

Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, wie Yoga kreative Prozesse fördern kann,  möchte ich klären, was ich unter Kreativität verstehe.


Kreativität bedeutet,  Dinge aus ihrem gewohnten Zusammenhang herauszunehmen und neu zuzuordnen, sie von einer anderen Perspektive zu betrachten neu zu  bewerten, oder sie mit neuen Faktoren zu verknüpfen.

In unserem künstlerischen Schaffen bezeichnet Kreativität den Prozess, innere Vorgänge, Gefühle oder Ideen darzustellen.


Voraussetzungen des kreativen Prozesses

Bevor ich innere Vorgänge ausdrücken, darstellen kann, muss ich sie erst einmal möglichst genau wahrnehmen, muss ich sie bewusst spüren, sie  mit dem ganzen Körper durchdringen.

Anschließend muss es im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Erst dann steht es uns als Baumaterial für des kreativen Umgang zur Verfügung.

Zugleich ist es nötig, diese inneren Vorgänge aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Während dessen klärt sich immer mehr, was genau und wie ich es  darstellen möchte. Wissen und Erfahrung um die technische Umsetzung, Kenntnisse um das Verhalten der Materialien, Fingerfertigkeit und Mut sind einige der wesentlichen Werkzeuge des kreativen Prozesses. Außerdem ist eine ungezwungenen Geisteshaltung wichtig. Sie hilft, die Scheu vor der weißen Leinwand zu überwinden und das nötige Selbstvertrauen aufzubauen, damit man Probleme und Krisen, die bei Schaffensprozessen auftreten können, lösen bzw. bewältigen kann.

Im kreativen Prozess ist die Psyche oftmals sehr erregt und kann somit  leicht abgelenkt werden. Um produktiv werden zu können, wechseln sich die Phasen des Schaffens mit den Phasen der inneren Sammlung und der Stille ab. Sonst überwältigt diese Erregung  den Geist und blockiert ihn.


Deswegen ist es wichtig, folgende geistige Qualitäten immer wieder herzustellen:



Ein kreativer Prozess ist nicht nur ein geistiger, sondern auch ein körperlicher Vorgang.

Nerven sind erregt, Muskeln angespannt, die gesamte Körperhaltung ist beteiligt.

Es werden Informationen verarbeitet, die immer auch bewusst oder unbewusst gefühlt wurden. Diese Gefühle wurden  von den Nervenzellen aufgenommen und in den Zellen gespeichert. Sie werden beim Wiedererinnern freigesetzt und beeinflussen unser Gemüt. Deshalb kann kreatives Schaffen auch eine Form der Selbsttherapie sein.


Wie kann Yoga kreatives Schaffen unterstützen?

Was ist Yoga? Yoga ist eine besondere Qualität des Geistes. Anstatt ständig von einem Objekt des Interesses zum anderen zu schweifen, wird die Aufmerksamkeit nach innen gelenkt, zentriert und die Zentrierung aufrechterhalten bzw. immer wieder hergestellt. Als Übungsgegenstand dienen Körper, Atmung und Psyche. Körper-, Atem- und Meditationsübungen können zur Ruhe führen,  die Konzentration trainieren und die Fähigkeit, bei einer Sache zu bleiben.

Mit Hilfe von Körperhaltungen und Bewegungen kann ich lernen, meinen Körper immer genauer wahrzunehmen beim Üben, im Alltag und natürlich auch während des  Schaffensprozesses. Man kann lernen, das Wechselspiel zwischen Körper und Psyche intensiver wahrzunehmen und somit für den kreativen Prozess zu nutzen. Je intensiver ich spüre, je achtsamer ich meine inneren Vorgänge wahrnehme, desto deutlicher kann ich Gedankenblitze, Ideen,  Intuition wahrnehmen. Mit Hilfe von Yoga kann ich dafür das Milieu schaffen.

Unser Gehirn ist ständig aktiv, nimmt Eindrücke auf und verarbeitet diese Informationen, baut sie in vorhandene Muster ein oder verändert diese Muster. Es schafft aus dem Chaos unglaublich vieler Informationen Ordnung, indem es die Informationen bewertet und in bestehende Gedankenstrukturen einbaut. Beim Yogaüben verschaffe ich diesen Verarbeitungsprozessen Zeit durch die Pausen, die ich vom Alltag nehme und durch die besondere Qualität, in die ich meinen Geist beim Üben bringe. Sie hilft, die neuronalen Vorgänge zu synchronisieren.

Je besser diese hochverteilten Vorgänge des Gehirns synchronisiert werden, desto effektiver kann unser Gehirn die Informationen verarbeiten. Entspannung und Zentrierung, die Yogaübungen herstellen können, helfen, Störungen im kreativen Prozess wie z.B. Erschöpfung, Unsicherheit, Angst, Verzweiflung, Stress jeder Art besser wahrzunehmen und zu beseitigen. Nicht zuletzt kann eine intensive Selbstwahrnehmung dafür sorgen, dass ich körperlich und psychisch gesund bleibe und meine (Primär-)Bedürfnisse nicht vernachlässige.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen viel Spaß beim Betrachten unserer Bilder.